Start des deutsch-tschechischen Projektes ArchaeoTin: "Archäologie im Welterbe – Zinnbergbaulandschaften"
Wurde bereits während der Bronzezeit vor 4000 Jahren im Erzgebirge Zinn abgebaut und wohin wurde das Zinn verhandelt? Wie müssen wir uns das damalige Klima und die Umwelt im rauen Erzgebirge vorstellen?
Diese und weitere Fragen werden in den kommenden drei Jahren mehr als 20 WissenschaftlerInnen der sieben Projektpartner aus Sachsen, Bayern und Tschechien mithilfe multidisziplinärer Untersuchungsmethoden gemeinsam und grenzübergreifend erforschen. Leadpartner ist das Landesamt für Archäologie Sachsen, dessen Montanarchäologen bereits 2018 erstmals bronzezeitlichen Bergbau im Osterzgebirge nachweisen konnten. Heute wie damals eine sensationelle Entdeckung in der Archäologie.
Projektleiterin Dr. Christiane Hemker vom Landesamt für Archäologie Sachsen erläutert: »ArchaeoTin untersucht auch die Bedeutung und den Einfluss des erzgebirgischen Zinns auf die kulturelle Entwicklung und Prägung der montanen Kulturlandschaft Erzgebirge zwischen Bronzezeit und Neuzeit. Im Fokus steht der Seifenbergbau auf Zinn in ausgewählten Regionen des sächsisch-böhmischen Erzgebirges, die heute Bestandteile des UNESCO Weltkulturerbes »Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří« sind«.
Die Archäologen gehen dabei möglichst denkmalschonend vor und wenden Methoden wie Fernerkundung (LiDAR), historische Recherchen, Prospektion und archäologische Sondierungen an, die durch naturwissenschaftliche Analysen wie Dendrochronologie, C14-Datierung, Palynologie, Anthrakologie, botanische Makrorestanalyse, Archäometallurgie, Mikromorphologie, Sedimentologie, Mineralogie und Petrographie ergänzt werden.
Mit den Ergebnissen ist eine multimediale Wanderausstellung zum Zinnbergbau im Erzgebirge geplant, die in Teplice und Ehrenfriedersdorf präsentiert wird. Weiterhin sind eine internationale Tagung sowie mehrere Veröffentlichungen vorgesehen.
Wer untersucht was?
Die montanarchäologischen Untersuchungen der Relikte des Seifenbergbaus werden vom Landesamt für Archäologie Sachsen auf sächsischer Seite und vom Institut für archäologische Denkmalpflege Nordwestböhmens in Most auf böhmischer Seite durchgeführt.
Den Einfluss des Zinnbergbaus auf Landschaft und Umwelt wird das Institut für Vor- und frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München untersuchen. Für die Wissenschaftler vom Institut für Waldwachstum und Forstliche Informatik der Technischen Universität Dresden steht die Rekonstruktion der Entwicklung der lokalen Waldzusammensetzung im Fokus der Projektarbeit.
Archäometallurgische Untersuchungen werden die Kollegen vom Institut für Archäologie und Museologie an der Masaryk-Universität Brünn übernehmen, um die technischen Abläufe und Arbeitsprozesse der Zinngewinnung rekonstruieren zu können.
Die Ergebnisse aus dem Projekt heraus werden in einer gemeinsam vom Museum Zinngrube Ehrenfriedersdorf und dem Regionalmuseum in Teplice entwickelten multimedialen Wanderausstellung zum Zinnbergbau im Erzgebirge präsentiert.
Das Projekt ArchaeoTin wird mit 3,5 Millionen Euro durch das Programm Interreg Sachsen – Tschechien 2021-2027 aus dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Der Anteil für Ehrenfriedersdorf zur Erstellung der Wanderausstellung beträgt ca. 900T Euro.
Kontakt:
Dr. Christiane Hemker, Projektleiterin, Landesamt für Archäologie Sachsen, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Jana Burdova, Öffentlichkeitsarbeit ArchaeoTin, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Potenziell sensationell – neue Erkenntnisse zum Zinngewinn
Dresdner Archäologe berichtet in Ehrenfriedersdorf über Grabungsprojekte und erste Ergebnisse im sächsisch-böhmischen EU-Projekt ArchaeoTin
Aufmerksam folgten rund 45 montanarchäologisch interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer am 22. August in der Schachthalle der Zinngrube Ehrenfriedersdorf den Ausführungen von Dr. Matthias Schubert. Der Archäologe aus dem sächsischen Landesamt für Archäologie berichtete über methodische Herangehensweisen und aktuelle Ergebnisse von Grabungen, die er im Rahmen des EU-Projekts ArchaeoTin seit gut einem Jahr an ausgewählten Stellen im Welterbe Montanregion Erzgebirge/Krusnohori mit seinem Team durchführt.
Es ist heute weder finanzierbar noch ökologisch vertretbar, großflächig die Erde aufzubuddeln. Die Methode der Wahl sind punktuelle, ressourcenschonende Sondierungsgrabungen. Doch wie finden die WissenschaftlerInnen heraus, wo sich das lohnen könnte? In den bekannten Zinnseifenlagerstätten im Erzgebirge wurde der wertvolle Rohstoff fast überall über Jahrhunderte abgebaut, so dass häufig jüngere Aktivitäten ältere überprägt und zerstört haben. Als zielführend hat sich erwiesen, an Stellen zu graben, die im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerieten. So weisen nun Datierungen von Holzkohlen aus einer Grabung in der Sauschwemme bei Eibenstock darauf, dass hier bereits vor rund 2800 Jahren Zinn ausgeseift wurde. Sollten weitere anstehende Untersuchungen diese Befunde bestätigen, wäre das archäologisch und kulturhistorisch eine kleine Sensation.
Besonders spannend fanden die dem Vortrag lauschenden lokalen Bergbauhistoriker Funde aus einer Rettungsgrabung im Greifenbachtal. 2023 mussten hier im Zuge der Sanierung eines Abflussgrabens sehr schnell Keramikfunde, verschlackte Ziegelbruchstücke und die Überreste eines Fundaments gesichert werden. Hier scheint eine Schmelzhütte gestanden zu haben. Erste Datierungen der Funde deuten in das 13. bis 15. Jahrhundert. Die metallurgischen Untersuchungen der Schmelzofenüberreste weisen hohe Gehalte von Zinn und Arsen auf. Das heißt: Hier wurde Zinn aus dem Tiefbau weiterverarbeitet. Sollten weitere Analysen eine spätmittelalterliche Datierung bestätigen, wäre diese Schmelzhütte die älteste bisher im Erzgebirge nachgewiesene.
Betina Meißner 23.08.2024
Münchner Pollenforscher in Ehdorfer Mooren unterwegs
EU-Projekt ArchaeoTin auf der Suche nach pflanzlichen Belegen für Bergbau
In luftdicht abgeschlossenen und möglichst kalkfreien Torfböden können sich Pollen über Jahrtausende erhalten. Deshalb sind alle Arten von Pflanzenpollen eine wichtige Quelle für die Erforschung und Rekonstruktion von Landschaften unterschiedlicher Epochen. Das gilt auch für den Nachweis von bergbaulichen Aktivitäten - insbesondere in prähistorischen Zeiten. Denn für diese stehen nur wenige andere Belege zur Verfügung. Für das EU Projekt „ArchaeoTin – Archäologie im Welterbe – Zinnbergbaulandschaften“ war am 21. März ein Team des Instituts für Vor- und frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) in den Mooren Rotes Wasser und Hormersdorfer Hochmoor unterwegs.
Erklärtes Ziel war es, in beiden Mooren mit einem russischen Kammerbohrer einen für die Analyse tauglichen Bohrkern zu ziehen. Um verwertbares Material zu erhalten, muss der Torf eine bestimmte Festigkeit haben. Diese Voraussetzung zu finden, erwies sich im Roten Moor als schwierig. Anhand der Bodenstrukturen und der Vegetation wählten die Münchner Palynologen Dr. Michael Peters und Thilo Kappelmeyer im Gelände Punkte für erste Probesondierungen aus. Zunächst waren jedoch die Torfschichten an den geprüften Stellen zu dünn und/oder der Grund war zu wässrig. Entsprechend hatten einige Beteiligte schuhwerkabhängig bald nasse Füße. Schließlich fand sich doch eine geeignete Stelle. Mit einigem Kraftaufwand wurde der Bohrer in den Grund gedreht und ein 50 cm langer Bohrkern mit Torf- und Sedimentschichten entnommen. Direkt nach der Entnahme und bis zur Analyse im Labor werden die Bohrkerne luftdicht in Frischhaltefolie verpackt und später im Institut zusätzlich eingefroren.
Am zweiten Standort, dem idyllischen Hormersdorfer Hochmoor, wiederholten sich die eingespielten Abläufe; dieses Mal führten sie jedoch schneller zum Erfolg. Auch hier wurde aus schwefelig-moorig riechendem Grund ein Bohrkern mit einer rund 40 cm tiefen Torfschicht entnommen und gesichert.
Im Labor werden nun aus den einzelnen Schichten der Bohrkerne Proben genommen und die darin enthaltenen Pollen über verschiedene bio- und geochemische Analyseverfahren untersucht, identifiziert und wissenschaftlich ausgewertet. In Kombination mit Radiokarbon-Datierungen (14C) des Materials entsteht so ein Pollendiagramm. Die jeweilige Pollenzusammensetzung zu bestimmten Zeitpunkten und ihre Veränderung ermöglichen die Rekonstruktion von Landschaften in verschiedenen Epochen in den untersuchten Gebieten. Mit dieser Methode konnten Palynologen aus Brünn bereits im Vorgänger-Projekt Archaeomontan erstmals bronzezeitlichen Zinnseifenabbau im Erzgebirge nachweisen – eine kulturhistorische Sensation.
Von den in den Ehrenfriedersdorfer Mooren gezogenen Proben erhoffen sich die Wissenschaftler allerdings anderes: Eine frühere Pollenanalyse im Roten Moor mit einem Pollenspektrum vom Hochmittelalter bis in das 16. Jahrhundert hat bereits extreme Ausschläge gezeigt mit Hinweisen für Offenland, Abholzung und Rodung, die auf eine Verbindung zum Bergbau verweisen. Pollenforscher Peters erklärt dazu: “Ich finde das sehr interessant und möchte diese Befunde höher aufgelöst, also genauer mit einem weiteren Profil auswerten, um eine Blaupause, ein Referenzprofil zu erhalten für ältere, vorgeschichtliche Proben, die wir im südlichen Erzgebirge untersuchen. Denn hier in Ehrenfriedersdorf weiß ich sicher, dass Bergbau betrieben wurde und habe entsprechende Pollenspektren. Die Analyse unserer Proben lässt dann hoffentlich Rückschlüsse auf Entwicklungen in anderen Gebieten zu.“
Betina Meißner,
Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stadt Ehrenfriedersdorf im EU-Projekt ArchaeoTin
Dr. Michael Peters und sein Team auf der Suche nach einer geeigneten Beprobungsstelle im Roten Moor
Bohrkern aus dem Hormersdorfer Hochmoor
Luftdicht verpackter Bohrkern für den Transport und die Analyse
Drei Projektpartner von ArchaeoTin in Ehrenfriedersdorfer Mooren unterwegs:
(v.l.) Grit Neubauer (TU Dresden, Fachrichtung Forstwirtschaften), Hendrik Konz (Ehrenfriedersdorf), Dr. Michael Peters (LMU München, Institut für Vor- und frühgeschichtliche und provinzialrömische Archäologie), Betina Meißner
19. bis 20.03.2024 3. Treffen der Projektpartner in der Bergstadt Boží Dar
Bereits zum dritten Mal sind die sieben Partner des sächsisch-tschechischen EU-Interreg Projekts ArchaeoTin - Archäologie im Welterbe – Zinnbergbaulandschaften zusammengekommen, um sich über den Stand ihrer Arbeiten auszutauschen. Gastgeber war diesmal das Institut für archäologische Denkmalpflege Nordwestböhmens in Most (ÚAPP). Im Konferenzsaal des Rathauses im traditionsreichen tschechischen Bergbau- Ski- und Erholungsort Boží Dar stellte jeder Projektpartner seine bisherigen Aktivitäten für das Projekt, erste Ergebnisse und weitere Planungen vor.
So konnte das sächsische Landesamt für Archäologie (LfA) bereits erste Ergebnisse zu den Anfängen des Seifenbergbaus in der Fundstelle der sogenannten Sauschwemme am Auersberg bei Johanngeorgenstadt präsentieren, die in der Folge weiter untersucht werden sollen. Die ÚAPP Most stellte Ihre ersten Geländeuntersuchungen in den Seifenrelikten des böhmischen Erzgebirges vor. Spannend ist ein bisher nicht publiziertes Bergbuch aus Graupen von 1512, dessen Auswertung die Kollegen aus Most in Kooperation mit der Jan-Evangelista-Purkyně-Universität aus Ústí nad Labem anstreben, die als assoziierter Partner in das ArchaeoTin-Projekt eingebunden ist. Schwerpunkte des Instituts für Vor- und frühgeschichtliche Archäologie der LMU München sind Pollenanalysen zur Rekonstruktion der Landschafts- und Vegetationsgeschichte im Erzgebirge und Untersuchungen zum Einfluss des Bergbaus auf die Umwelt in unterschiedlichen Epochen und ihre kulturgeschichtliche Einordnung im Kontext des Zinnseifens. Dazu wurden bereits Bohrkerne aus dem Hochmoor des Kleinen Kranichsees (Nähe Sauschwemme) und in dem Seifenmoor unmittelbarer neben der Fundstelle Schellerhau gezogen, die nun weiter analysiert werden. Die Marsaryk Universität (MUNI) aus Bruno präsentierte den Stand palynologischer Untersuchungen im böhmischen Erzgebirge und der archäometallurgischen Analysen verschiedener Fundobjekte wie Schmelztiegel aus Horni Krupka oder Ofenfragmente aus einer Grabung im Greifenbachtal bei Ehrenfriedersdorf.
Die Wissenschaftlerinnen der Fachrichtung Forstwissenschaften der TU Dresden stellten erste Ergebnisse von Holzkohleanalysen (Anthrakologie) aus historischen Meilerplätzen im Kommunalwald von Ehrenfriedersdorf vor. Ihre dendrochronologischen und anthrakologischen Forschungen dienen der Rekonstruktion der Waldgeschichte und der zeitlichen Einordnung bergbaulicher Aktivitäten. Die Projektpartner aus Ehrenfriedersdorf und Teplice, im Projekt zuständig für die Vermittlung der Ergebnisse in einer Wanderausstellung zum Zinnbergbau, erklärten den aktuellen Konzeptstand der geplanten Ausstellung. Ziel ist es, den Bergbau auf Zinnseifen in seiner soziokulturellen und ökonomischen Bedeutung sowie die Methoden seiner Erforschung multimedial erlebbar zu machen.
Am zweiten Tag stand der Austausch mit den eingeladenen Vertretern der assoziierten Partner im Projekt im Fokus der Diskussion. Mit dem Tourismusverband Erzgebirge e.V., der Destinationsagentur Krušné Hory, dem Welterbeverein Montanregion Erzgebirge e. V. und der Montanregion Erzgebirge - Krušné Hory o.p.s wurden verschiedene Ideen entwickelt, wie das Projekt in das lokale und regionale Tourismusmarketing im Kontext des UNESCO Welterbes „Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří“ eingebunden werden könnte. Beispielsweise über öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen in den Welterberegionen oder eine spezielle Gästeführerqualifizierung und museumspädagogische Angebote mit einem Fokus auf die Geschichte des Zinnseifens.
Anschließend besprachen die Teilnehmenden Möglichkeiten der fachlichen Unterstützung des Projektes mit den Vertretern der Jan-Evangelista-Purkyně-Universität aus Ústí nad Labem, des Archäologischen Institutes der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag und des Tschechischen Nationalen Instituts für Denkmalpflege mit der Außenstelle Loket.
Zum Abschluss des Treffens stand eine gemeinsame Exkursion mit den assoziierten Partnern auf dem Programm, die unter der fachkundigen Leitung von Krystof Derner (ÚAPP Most) in die einige Kilometer entfernte Zinnseife am Rammelsberg führte. Ganz herzlichen Dank für dieses erfolgreiche Arbeitsgruppentreffen an alle Verantwortlichen der ÚAPP Most.
07.11.2023 Auftragsvergabe des Vergabemanagements
In der gestrigen Stadtratssitzung konnte die erste Leistung für das Projekt ArchaeoTin vergeben werden. Für die 4 von uns geplanten Ausschreibungen (davon eine zweistufig) gab die STEG Stadtentwicklung GmbH das beste Angebot ab mit einem Gesamthonorar von ca. 24.600 EUR.
11.- 12.09.2023 Auftakttreffen im Landesamt
Am 11. und 12. September fand das Auftakttreffen der Projektpartner zunächst im Landesamt für Archäologie in Dresden statt. Dort sprachen die Partner über ihre Forschungsziele im Projekt und die Methoden, mit welche sie diese Ziele erreichen wollen. Zusätzlich wurden wichtige Punkte in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit und die Koordination der verschiedenen Verwaltungsaufgaben sowie die daraus entstehende Wanderaustellung besprochen.
Am zweiten Tag traffen sich die Partner in Schmiedeberg und fuhren dann zu den Zinnseifen bei Schellerhau. Dort wurde der als Meilenstein für die Erforschung des erzgebirgischen Zinnbergbaus geltende und auch für das Projekt ArchaeoTin als Maßstab dienende Fundort vorgestellt und besichtigt.